Hochleistung auf Abruf
ALLESKÖNNER – Viel Kraft, Allrad und noch mehr Technik machen aus dem VW Golf R einen Renner, der eigentlich für die Straße zu schade ist. Optisch zeigt er sich diskret, was sich akustisch über vier Auspuffrohre schnell ändern kann. Dass man mit ihm auch angepasst, manierlich und vorbildlich regelkonform unterwegs sein kann, erlebte Marc Schonckert auf über 500 km Fahrt.
Kernstück des Golf R ist ein 2.0 TSI Turbo-Benziner, der 235 kW/320 PS leistet und ein Drehmoment von 420 Nm über eine 7-Gang DSG-Automatik und 4MOTION auf alle vier Räder abgibt. Somit schafft er die null auf hundert in 4,9 Sekunden und läuft 250 km/h Spitze, mit dem R-Performance Paket sind es gar 270 km/h bei zwei zusätzlichen Fahrmodi im R-Fahrprogramm. Das ergibt ein spektakuläres Gesamtpakt für ein sportliches Fahrerlebnis, das einem auf öffentlicher Straße viel Bewunderung, Neid, Kopfschütteln und eine Menge Strafzettel oder Fahrverbote einbringen kann.
Damit dieses Leistungspotenzial des R Golf effizient auf den Asphalt kommt und auch dort bleibt, hat VW ihn mit einer Menge technischer Hilfsmittel ausgestattet, die ihn zu einem ausgesprochenen Kurvenkünstler machen oder einem röhrenden Boliden auf der Piste, auf die jeder Golf R-Fahrer einmal hin müsste, um zu erleben, was sein Auto kann und er nicht. Der Golf R hat Torque Vectoring, eine radselektive Antriebsverteilung, welche die Kraft nicht nur variabel zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt, sondern bis zu 100 Prozent auch zwischen dem rechten und linken Hinterrad. Das ergibt ein dynamisches und stabiles Fahrverhalten in schnellen Kurven, wer es auf der Piste nachvollziehen kann, wird begeistert sein, wer im öffentlichen Verkehr seine Grenzen ausloten will, dem sei gesagt, dass Physik auch ihre Grenzen hat, wie Ihnen jeder Unfallexperte bestätigen wird. Unser Golf hatte zudem ein adaptives DCC Fahrwerk mit geregelten Dämpfern, dazu noch die Fahrmodi „Drift“ und „Nürburgring-Modus“, die mit dem optionalen R-Performance-Paket angeboten werden. Anlässlich der Vorstellung des Golf Variant R (siehe Tageblatt-Magazin vom 30. Oktober 2021) lernten wir diese Fahrmodi auf geschlossener Piste kennen, dahin gehören sie auch hin, damit ist alles gesagt. Die anderen Fahrmodi – Comfort, Sport, Race und Individual – werden über die Mode-Taste am Armaturenbrett betätigt. Eine Abkürzung zum Race-Profil gibt es per Knopfdruck auf den blauen R-Button im Multifunktionslenkrad. Dadurch werden das Automatik-Getriebe, die elektronischen Dämpfer, die Lenkung und der Allradantrieb sportlicher abgestimmt, bei verändertem Klang des Motors, der dann so klingt, wie es die vier Endrohre hinten versprechen.
Oma mit den Springerstiefeln brachte es auf den Punkt. „Ohne die Auspuffanlage, die Sporträder und die Bremsen würde der gar nicht auffallen“. Ein Golf eben, wenn auch ein ganz spezieller, dessen Look niemanden stört und vor allem niemanden provoziert. Es sei denn, er blickt in die vier Endrohre und hört die frohe Botschaft. Oma legte „Propaganda“ von den „Sparks“ auf, rückte den Rock zurecht und machte es sich im Sportsitz bequem. „Und wenn das nicht reicht, ich habe noch „Iron Maiden“ dabei“. Gegen den Auspuffsound im R-Modus, vor allem beim Zurückschalten, hatten sie jedoch keine Chance.
Kein Glück hatten wir mit dem Wetter und so blieb das Renn-Potenzial dieses ausstattungsmässig nüchtern aber sehr übersichtlich und leicht bedienbaren Golf R denn so gut wie unangetastet. Doch dafür zeigte er sich sehr geduldig und handlich bei moderater Fahrweise, gut ansprechbar auch im normalen „Comfort“-Modus, nicht gerade weich, aber auch nicht hart auf der Straße liegend und sofort bei bester Laune, sobald man den Sport-Modus einlegte, um es etwas zügiger angehen zu lassen. Langweilig wird es mit dem Golf R nicht, er macht Spaß und gute Laune und seine gute Manieren machen aus ihm einen wertvollen Begleiter, der kann, wenn er will, es aber nicht unbedingt jedem beweisen muss. Wer allerdings das R-Performance-Paket mit sich spazieren fährt, kommt sich einigermaßen eingeengt vor. Clark Kent sucht immer eine Telefonzelle auf, um sich in Superman zu verwandeln. In eine solche passt der Golf R nicht mehr rein. Da passt eine geschlossene Rennstrecke schon viel besser.