Lamborghini Huracan Evo

Begeisterndes Inferno

SOUNDCHECK –  Der Lamborghini Huracán Evo hat einen V10 Motor, der nicht zu überhören ist. Ein Supersportwagen für den Renneinsatz oder den Alltag, der mit ihm zu einem Festtag wird. Marc Schonckert fuhr ihn sehr manierlich, weil es eben nicht anders ging. Ein Bericht über eine bedrohte Spezies.

Vier Fragen stellen sich hinsichtlich eines Lamborghini Huracán Evo. Die sind:  Kann ich ihn mir leisten? Wo und wann fahre ich ihn? Wie fahre ich ihn? Habe ich mit ihm mehr Glück bei Frauen? Wer die erste Frage mit „Nein“ beantwortet, darf sich die anderen drei ersparen. Der Lamborghini kommt aus Italien und dann denke ich an Chiellini, den Grabscher und an Immobile, den Simulanten und dann bin ich froh, mir keinen leisten zu müssen. Dennoch freue ich mich, dass ich ihn einmal fahren darf und somit für Frage zwei und drei eine entsprechende Antwort finden muss.

Rennstrecke gesucht

Wer das Leistungspotenzial des Huracán erleben will, muss entweder auf die Rennpiste oder ersatzweise auf die deutsche Autobahn ausweichen. Obwohl ich keineswegs dazu rate, eine deutsche Autobahn mit einer Rennstrecke zu verwechseln, nicht zuletzt wegen der kulinarischen Durststrecke in Form der Raststätten  entlang der deutschen Autobahnen. Der Verkehr spielt auch eine Rolle. Es ist Urlaubszeit und somit herrscht Hochbetrieb auf der Autobahn. Wichtig ist auch das Wetter. Für Regenwetter ist der Huracán nicht gedacht, trotz Allradantrieb und Allradlenkung. Somit wären wir bei Frage drei. Als normaler Sterblicher und Laie fährt man diesen Sportler sehr vorsichtig, zumindest so lange, bis die Sonne wieder hervorkommt und den Asphalt trocknet. Doch auch dann ist Vorsicht angesagt.

Lamborghini-Fahrdynamik-System

Ein Glück, dass der Huracán eine gemütliche Gangart toleriert und ruckfrei dahinschwebt, vielleicht in der Annahme, er sei gerade beim Dahinrollen auf das Podest eines Schönheitswettbewerbs in Pebble Beach oder sonst wo. Dazu trägt der technologische Aufwand bei, der ihm einwandfreie Manieren und hohe Standfestigkeit und Spurtreue verleiht. Dabei handelt es sich um das LDVI-Fahrdynamik-System, welches das Dynamikverhalten des Fahrzeugs steuert, dies  unter Berücksichtigung aller Daten, die ihm von den Beschleunigungssensoren, den Quer- und Längsbewegungen, der Dynamiklenkung LDS, der Traktionskontrolle und der Drehmomentverteilung geliefert werden. So interpretiert der Huracán auf Basis dieser Daten und angesichts des gewählten Fahrprogramms die Absichten des Fahrers und handelt dementsprechend. Wenn er merkt, dass der Fahrer ein Angsthase ist, schaltet er auf Hosenträger-Modus, ist ein Draufgänger identifiziert, werden die einzelnen Parameter darauf eingestellt. Für den zivilen Umgang gibt es den Fahrmodus „Strada“, bedient über einen Wählschalter am Lenkrad. Für ein brutaleres Ansprechverhalten mit entsprechender Lärmkulisse vornehmlich bei Tunneldurchfahrten ist der „Sport“-Modus zuständig. Nicht erprobt haben wir die „Corsa“-Einstellung, wobei alle Parameter und Nackenhaare auf Piste und Renn-Feeling stehen, wonach einem auf einer deutschen Autobahn nicht immer zumute ist.

Nur mit Oma

Zu Frage vier: bestimmt hat man mit einem Lamborghini mehr Glück bei Frauen. Doch ausprobieren konnte ich es leider nicht, ich hatte schon meine Oma mit den Springerstiefeln dabei, und die ist viel unterhaltsamer und humorvoller als jene Einwegflaschen, die alle Nightclub-Türsteher mit Vornamen kennen.  Oma ist kleiner als ich und war deswegen beim Ein- und Aussteigen klar im Vorteil. Auf Gepäck musste sie allerdings verzichten, nur ihr Nachtsichtgerät und ihr Wurfmesser durften mit an Bord. Ein ausfahrendes Periskop hatte sie auch dabei, wegen der eingeschränkten Sicht nach hinten meinte sie. „Dann schieb mal an, Junge“ grinste sie. Startknopf gedrückt und schon liefen die Umstehenden auseinander in der Annahme, ein Gewitter hätte sich unbemerkt angeschlichen. Donnerhall gibt es allerdings nur zum Eingewöhnen, dann legt sich die Aufregung, der V10 Saugmotor mit  5,2 Liter Hubraum schaltet auf Konzert-Lautstärke und fährt dann entspannt oder aufgeregt los, je nachdem wie eilig man es hat.

Leistung: 470 kW/640 PS. Drehmoment 600 Nm bei 6500 U/Min. Von null auf hundert : 2,9 Sekunden. Spitze: 325 km/h. Die haben wir allerdings nicht geschafft, zu viel Verkehr und ein Fahrer, der permanent an den Neupreis eines solchen Boliden dachte. Dafür genossen wir einige wenige sonnige Momente bei geöffnetem Dach, wir rollten beschwingt, aber nicht aufdringlich dahin, Oma war happy und eine vorbeifahrende Kolonne von alten VW-Bussen winkte uns freudig zu. „Hauptsache, man hat Spaß am Autofahren, da spielt der Preis keine Rolle, was?“, grinste sie. Dass der Huracán innen sehr anspruchsvoll und vornehm ausgestattet und verarbeitet ist, mit Ledersitzen, Karboneinlagen und dazu einem großen Touchscreen und fortschrittlichem Infotainment mit Sprachsteuerung im Programm, hatten wir bei Beginn der Fahrt zwar zur Kenntnis genommen, doch während der Fahrt keine weitere Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Dafür waren Sound, Antritt, Durchzug und Kurvenspaß zu dominant, als dass wir uns anderen Eigenschaften gewidmet hätten. „Am schönsten sieht der Huracán von hinten aus, mit diesem Riesenheck und diesen Endrohren. Da haben auch die anderen Verkehrsteilnehmer etwas von diesem Auto“, stellte Oma fest. Da ist etwas dran. 

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